Seit über neunzig Jahren existiert die SUB. In dieser Zeit hat sich viel verändert: Die Studierendenzahlen sind stark gestiegen und der Frauenanteil erhöhte sich. Die SUB wuchs, sie änderte ihre Struktur und ihre politischen Positionen. Sie eröffnete neue Dienstleistungen und schloss veraltete, sie passte das Kulturangebot veränderten Bedürfnissen an. Der sich wandelnde Zeitgeist prägte Eigenheiten und manchmal Irrtümer. Mehrfach war gar ihr Bestand gefährdet. Und dennoch: Auch wenn sich seit 1926 viel geändert hat, die SUB ist und bleibt ein wichtiger Bestandteil des Unilebens und eine Hilfe für die Studierenden.
Beitrag verfasst von Julian Marbach (SR-Mitglied
2011-2013, SUB-Vorstand 2013-2015), 2015, überarbeitet und ergänzt 2016 sowie
2019.
Vorgängerorganisationen im 19. Jahrhundert
Nach Errichtung der Universität Bern 1834 bildete sich vorerst kein allgemeiner
Zusammenschluss aller Studenten (Frauen studierten an der Universität Bern erst
ab 1870) – anders als an der gleichzeitig entstandenen Universität Zürich. Ein
erster Versuch einen solchen zu gründen, scheiterte 1844 an den politischen
Spannungen der damaligen Zeit. Auch ohne Dachverband beteiligten sich Berner
Studierende jedoch lebhaft an den kantonalen und schweizerischen
Auseinandersetzungen (bis hin zu den militärischen Freischarenzügen).
Gelegentlich scheint es dabei auch zu Äusserungen im Namen der "Berner
Studentenschaft" gekommen zu sein, und zwar sowohl zu
universitätsspezifischen (Studiengestaltung, Berufung und Abwahl von
Professoren), als auch zu allgemeinpolitischen Themen. Wichtigste studentischen
Organisationen waren damals wie im gesamten 19. Jahrhundert die verschiedenen
Studentenverbindungen (auch "Korporationen" genannt), welche sich
untereinander heftige (und teils handgreiflich ausgetragene) Konflikte
austrugen. Am einflussreichsten waren die liberal-konservative Zofingia und die
ursprünglich radikal-demokratische Helvetia.
Eine erste allgemeine Studierendenvereinigung entstand erst, als der
Bundesstaat gegründet war und sich im Kanton Bern Radikale und Konservative zu
einer grossen Koalition zusammengefunden hatten, so dass wieder mehr politische
Ruhe einkehrte. 1858 konstituierte sich der (privatrechtliche) Verein
"Academia" – auch als Reaktion auf Pläne der neuen Kantonsregierung,
den Vorlesungsbesuch verpflichtend zu machen. In den folgenden Jahrzenten
erschöpften sich die Aktivitäten der Academia dann allerdings im Wesentlichen
darin, die studentische Krankenkasse zu verwalten und bei universitären
Feierlichkeiten das Zeremoniell der verschiedenen Studentenverbindungen zu
koordinieren. Im gefestigten bürgerlich-liberalen Staat bewegte sich auch das studentische
Leben in geordneteren Bahnen.
Ende des 19. Jahrhunderts geriet die Academia in eine Krise: Die katholische
Studentenverbindung trennte sich 1889 von ihr, nachdem die Studentenversammlung
beschlossen hatte, dass die Studentenkrankenkasse auch die Behandlungskosten
für Geschlechtskrankheiten decken sollte. Die Krankenkasse wurde anschliessend
von der Universität übernommen. Untergehen sollte die Academia dann am Konflikt
zwischen den Verbindungen und den nicht verbindungsmässig organisierten Studierenden
(damals als "Wilde" oder "Freistudenten" bezeichnet).
Letztere waren aufgrund der Statuten in den Organen der Academia stark
untervertreten. Nachdem diese Auseinandersetzungen zu einem offenen Tumult am
dies academicus geführt hatten, löste sich die Academia 1898 auf.
Die Gründung der SUB
Verschiedene Versuche, eine erneute Gesamtorganisation der Studierenden zu
schaffen scheiterten in den Folgejahren an den Streitigkeiten zwischen
den Verbindungen einerseits, anderseits den freistudentischen Organisationen
sowie den ersten Fachschaften, welche ab Beginn der 1910er-Jahre gegründet
wurden: Behördliche Projekte von 1904 und 1910 wurden von den "Wilden"
abgelehnt, da sie den Korporationen zu viel Einfluss vorbehalten hätten. Einen
Statutenentwurf von freistudentischen Organisationen und der (damals
vorübergehend linksreformerisch ausgerichteten) Zofingia, welcher bereits die
Forderung nach Mitsprache enthalten hätte, bekämpften die übrigen Verbindungen
erfolgreich – in einer Urabstimmung lehnten die Studierenden ihn 1919 ab,
nachdem sich auch die Unileitung skeptisch gezeigt hatte. Stattdessen bildeten
Freistudentenschaft und Fachschaften 1921 den Verband der Bernischen
Studentenschaft (VBS) um insbesondere eine einheitliche Vertretung der Berner
Studierenden im neugegründeten Verband Schweizer Studierendschaften (VSS)
sicherzustellen.
Erst durch Vermittlung des damaligen Rektors, des Staatsrechtsprofessors
Walther Burckhardt, gelang es schliesslich, einen für beide Seiten akzeptablen
Kompromiss zu finden. Am 9. April 1925 erfolgte die offizielle Gründung mit der
Genehmigung der ersten SUB-Statuten (ganz unten herunterladbar) durch die Erziehungsdirektion. Als oberstes
Organ wurde eine von Fakultätsversammlungen gewählte Delegiertenversammlung
eingesetzt, die sich mindestens einmal im Semester treffen sollte. Mit dem
Tagesgeschäft war ein ehrenamtlicher Vorstand unter einem*einer Präsident*in
beauftragt. Den Verbindungen blieb die zeremonielle "Repräsentation der
Studentenschaft gegen aussen" vorbehalten, zudem durften sie einen Vertreter
mit beratender Stimme im SUB-Vorstand stellen. Unabhängig von den formellen
Regeln behielten die Verbindungen in den ersten Jahrzehnten der SUB eine starke
Stellung und stellten die meisten SUB-Präsidenten.
Profil in den Anfangsjahren
In den Anfangsjahren stand für die SUB klar die Erbringung von praktischen
Dienstleistungen an Studierende im Vordergrund. Seit Beginn ein Schwerpunkt war
dabei die Unterstützung finanziell schlechter gestellter Kommiliton*innen.
Bereits 1927 wurde ein "Amt für Studentenhilfe" mit eigener
Darlehenskasse gegründet, aus dem im Laufe der Zeit der heutige Sozialfonds entstand. Früh schon betätigte sich die SUB auch als Arbeitsvermittlerin, wobei
in den 1930er-Jahren SUB-Vorstände noch persönlich die Berner Sportgeschäfte
besuchten und nachfragten, ob diese in den Semesterferien nicht einen Studenten
anstellen möchten. Auch der heutige Unisport geht auf SUB-Projekte der
Zwischenkriegszeit zurück. Kulturell betätigte sich die SUB etwa durch die
alljährliche Organisation eines "Sommernachtsfests" im Rosengarten.
Ab 1932 gab die SUB mit dem „Berner Student“ eine eigene Zeitung heraus.
Auch gegen Aussen machte sich die SUB vorwiegend für praktische Anliegen stark.
Unter anderem ihren Bemühungen war es zu verdanken, dass 1942 endlich eine
erste Mensa eröffnet werden konnte. Um politische Mitwirkung kümmerte sich die
SUB hingegen in jener Zeit wenig: Die Studiengestaltung wurde höchstens auf
Fachschaftsebene thematisiert, allgemeine Bildungspolitik so gut wie gar nicht.
Die meisten SUB-Aktiven jener Zeit waren bürgerlich eingestellt, die SUB legte
jedoch grossen Wert darauf, "politisch neutral" zu sein. Immerhin
engagierte sich die SUB ab und zu in gesellschaftlich-gemeinnützigen Fragen, so
organisierte sie schon 1926 eine "Aktion gegen die Schnapsgefahr im
Volke". National gehörte die SUB seit ihrer Gründung (und bis heute) dem
VSS an.
Obwohl die nationalsozialistischen Fronten in den 30er Jahren an der
Universität Bern einigen Anhang hatten, gelang es ihnen nie, grösseren Einfluss
auf die SUB zu erhalten. Vielmehr unterstützte die SUB vor und während dem
Zweiten Weltkrieg aktiv die "geistige Landesverteidigung", welche
sich mittels Stärkung der Schweizerischen Identität insbesondere vom
nationalsozialistischen Deutschland abgrenzen wollte, sowie die bewaffnete
Landesverteidigung.
Ruhige Nachkriegszeit
In der Nachkriegszeit veränderte sich die SUB vorerst nur behutsam. Die
Dienstleistungen wurden um eine Wohnungsvermittlung erweitert und der Film-Club
gegründet. Typisch für Studierendenorganisationen dieser Epoche war das rege
Interesse an internationalen Kontakten. Die SUB unterhielt zu diesem Zweck ein
eigenes Auslandsamt, welches über Reise- und Austauschmöglichkeiten informierte
und den Kontakt zu den in Bern anwesenden Austauschstudierenden förderte.
Stark beschäftigte die SUB die Lage in den kommunistischen Diktaturen
Osteuropas. In Resolutionen und Meinungsäusserungen verurteilte sie regelmässig
Repressionen gegen dortige Studierende und Akademiker*innen. Insbesondere der
Ungarnaufstand 1956 löste intensive Aktivitäten aus, die von Demonstrationen
bis zu Kleidersammlungen reichten. Die SUB schuf gar einen eigenen Fonds für
bedürftige Flüchtlingsstudierende, der später in den allgemeinen Sozialfonds
integriert wurde.
Organisatorisch wurde 1948 die (bis heute bestehende) Möglichkeit eingeführt,
in besonderen Fällen eine Generalversammlung aller SUB-Mitglieder einzuberufen.
Die Revision des Bernischen Universitätsgesetztes von 1954 verankerte die
obligatorische Mitgliedschaft in der SUB rechtlich. 1955 präsidierte mit der
Jus-Studentin Veronika Schneeberger erstmals eine Frau die SUB.
Die 60er-Jahre: Aufbruch zur politischen SUB
Die 1960er-Jahre sind ein zentraler Wendepunkt in der Geschichte (auch) der SUB
und der Universität Bern. Die Studierendenzahlen stiegen innerhalb eines
Jahrzehnts um mehr als das Doppelte von 2'500 auf 5'500 Studierende. Die SUB
reagierte einerseits mit einer Professionalisierung der Dienstleistungen: Die
Arbeits- und Wohnungsvermittlung wurde reorganisiert und eine eigene Papeterie
eröffnet (Ende 80er-Jahre wieder eingestellt). 1964 wurde erstmals eine
festbeschäftigte Sekretärin angestellt.
Anderseits veränderte sich das politische und persönliche Profil der SUB
merklich. Immer stärker prägten linksliberale Studierende die Organisation. Die
SUB äusserte sich aktiv zu den Debatten um Hochschulreformen und in ihren
Publikationen tauchte die Forderung nach universitärer Mitbestimmung auf.
Verschiedene neugegründete linkspolitische Gruppen belebten die Universität und
begannen teilweise auch an der organisierten Studierendenpolitik mitzuwirken.
Die in der SUB stark vertretene "Liberale Hochschulgruppe"
löste sich zunehmend von der FDP (in den 70er-Jahren sollte sie sich der sozialdemokratischen
Studierendenorganisation anschliessen). Entsprechend der neuen Orientierung
wurde 1966 die "politische Neutralität" in den SUB-Statuten durch
eine flexiblere "parteipolitische Unabhängigkeit" ersetzt.
Diese Statutenrevision von 1966 war insbesondere für die interne Organisation
wegweisend. Sie ersetzte die Delegiertenversammlung durch einen gewählten
Studierendenrat und führte Initiativen und Referenden ein. Der Vorstand wurde
von zwölf auf fünf (später sieben) Mitglieder verkleinert und jeweils als Gesamtheit
mit einem zum Voraus veröffentlichten "Regierungsprogramm" gewählt.
Das SUB-Präsidium reduzierte sich auf eine symbolische Rolle und wurde dann
1977 ganz abgeschafft. Der Studierendenrat (SR) bestand ursprünglich aus 80 im
Majorzverfahren gewählten Mitgliedern. Ab 1972 wurde die Hälfte der Mitglieder
im Listenproporz gewählt, die andere Hälfte von Fachschaften delegiert. Eine
Initiative führte schliesslich 1976 das heutige System mit 40 Mitgliedern und
reiner Proporzwahl ein.
Wilde 70er-Jahre
1972 gewannen explizite Linke erstmals eine Mehrheit im Studierendenrat und
bildeten einen linken Vorstand, welcher sich zu einem neomarxistischen Programm
bekannte. Spätestens von da an verstand sich die SUB klar als inneruniversitäre
Opposition. Auch die Fachschaften wurden inzwischen von linksorientierten
Studierenden geprägt, die sich kritisch mit ihren jeweiligen Fachinhalten
auseinandersetzen und studiengangspezifische Reformen diskutierten. Die
Post-68er-Kultur äusserte sich auch in neuen Formen studentischen Aktivismus:
Demonstrationen, Besetzungen, Streiks, Basis-Seminare, Petitionen und
Flugblattverteilaktionen, sei es mit oder ohne SUB-Unterstützung, wurden zu
einem wiederkehrenden Bestandteil des Unilebens.
Zentraler Streitpunkt der 70er-Jahre war die studentische Mitbestimmung in
universitären Gremien. Die SUB forderte seit 1969 Drittelparität mit
gleichmässiger Vertretung der Professor*innen, des Mittelbaus und der
Studierenden. Universität und Fakultäten führten die Mitbestimmung aber nur
zögerlich ein und versuchten sie möglichst einzuschränken.
Berufungskommissionen für Dozierende blieben häufig ganz ausgenommen. Manchmal
wurde versucht, bereits bestehende Mitwirkungsrechte wieder einzuschränken, so
etwa durch die rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Fakultät 1979 an einer
unter Polizeischutz durchgeführten Fakultätssitzung. Erst 1997 sollte die
Vertretung der Studierenden in allen Gremien (wenn auch in bescheidenem Umfang)
definitiv gesetzlich verankert werden.
Neben hochschulpolitischen Forderungen im engeren Sinn sorgten immer wieder
auch die Berufung, Nicht-Berufung oder Absetzung bestimmter Dozierender für
Proteste, besonders wenn sie aus politischen Motiven erfolgte (z.B. bei Jean
Ziegler, Hans-Heinrich Holtz oder Kurt Marti). Nicht selten lösten (repressive)
Reaktionen der Universität eine weitere Eskalation aus. Am spektakulärsten
waren insofern die Ereignisse 1974: Die Polizei beendete eine Besetzung des
soziologischen Instituts und verhaftete die Besetzer*innen. Die dagegen gerichtete
Protestversammlung wurde ihrerseits von 50 Polizeigrenadieren aufgelöst; worauf
die SUB eine öffentliche Demonstration durchführte, wegen derer u.A. der
SUB-Präsident für ein Jahr von der Universität relegiert wurde.
Auch in der institutionellen Politik zeigten die Studierenden vermehrt Präsenz.
Abgesehen von der Mitbestimmungsfrage kämpfte die SUB auch gegen erste
Numerus-Clausus-Pläne, für einen erleichterten Zugang auf dem Zweiten
Bildungsweg oder ein besser ausgebautes Stipendienwesen. Um ihren Forderungen
nach grundsätzlicher Hochschulreform Nachdruck zu verleihen, lancierte die SUB
ihre erste und bisher einzige kantonale Volksinitiative "Uni für alle,
Initiative für eine demokratische Hochschulbildung", die 1982 aber vom
bernischen Stimmvolk abgelehnt wurde.
Im Dienstleistungsbereich gründete die SUB 1975 zusammen mit der Fachschaft Jus
den Rechtshilfedienst (RHD) und initiierte ein Jahr später die Studentische
Buchgenossenschaft (Bugeno). Beide Institutionen bestehen bis heute (der RHD
seit 2015 als Rechtsberatungsdienst). Bereits ab
1971 gab die SUB die "WoKa" heraus, einen Wochenkalender mit
Veranstaltungsankündigungen und hochschulpolitischen Kurzhinweisen. Sie erschien
bis zur Zusammenlegung mit dem Unikum 1997.
Externe und interne Konflikte der 80er
Wenig überraschend führte der links-oppositionelle Kurs zu Diskussionen um die
rechtliche Stellung der Studierendenschaften. An den Universitäten Basel und
Zürich wurden die Schwesterorganisationen der SUB sogar ganz aufgelöst (und
erst 1995 resp. 2012 wieder eingeführt). Der SUB selbst war bereits 1973 die
Finanzautonomie entzogen worden. Die Mitgliederbeiträge flossen nun in eine
"Kasse für studentische Zwecke", welche von der Unileitung verwaltet
wurde. Die SUB musste für die Verwendung deren Mittel jeweils ein Gesuch
stellen. 1982 erklärte das Verwaltungsgericht das System der Kasse für
rechtswidrig. Daraufhin setzte der Regierungsrat obligatorische Beiträge für
die "Kernaufgaben" der SUB fest, während kulturelle und politische
Aktivitäten nur durch freiwillige Beiträge finanziert werden durften. Dies
führte zu erheblichen Finanzschwierigkeiten (und 1983 dazu, dass die SUB aus
Protest während eines Semesters ihre Dienstleistungen schloss). Ab 1985
untersagte die Erziehungsdirektion der SUB zudem, den VSS-Mitgliederbeitrag zu
zahlen.
Auch innerhalb der SUB wurden Konflikte manchmal rau ausgetragen. Innerhalb der
dominierenden Linken wurde der Post-68er-Sozialismus zunehmend durch
feministische, ökologische und antiautoritäre Tendenzen herausgefordert.
Entsprechend dem Zeitgeist der 80er-Bewegung wurden dabei auch Stimmen laut,
welche die Struktur der SUB als zu bürokratisch kritisierten und stattdessen
mehr "Basisdemokratie" verlangten. Versuche, den Studierendenrat
durch ein reines GV- oder ein Fachschaftsdelegiertensystem zu ersetzen, war
jedoch kein Erfolg beschieden. Auch ohne institutionelle Reformen bestanden
jedoch zahlreiche Verknüpfungen zwischen der universitäreren und der
Bewegungs-Linken, so dass die SUB Ende der 80er-Jahren als integraler Teil des
grün-alternativen Milieus erschien.
Die Mehrheit im Studierendenrat bildete während der ganzen 70er- und 80er Jahre
eine "linke Koalition" aus parteinahen Vereinigungen
(sozialdemokratischer SHG, kommunistischen POCH, trotzkistischer BUG),
unabhängigen links-politischen Gruppen und Fachschaftslisten. Immer wieder kam
es auch zu innerlinken Auseinandersetzungen, die teilweise recht heftig
ausfallen konnten (besonders jene um 1980 zwischen der Sozialdemokratischen
Hochschulgruppe und weiter links stehenden Kräften), die "Koalition"
brach jedoch nie auseinander. Sie war auch institutionell (locker) organisiert
– Ende der 80er-jahre traf sie sich jeweils einen Tag vor den SR-Sitzungen zur
Vorbesprechung. Wichtigste bürgerliche Kraft war der Verein
"Spektrum" (existierend bis 1991). Nicht lange halten konnten sich
weit rechts stehende Gruppierungen wie die "Gruppe Unabhängiger
Studenten" oder die (kurzfristig einigen Medienrummel auslösenden)
"Wehrhaften Berner Studenten". Die bürgerlichen Parteien
politisierten als Opposition mittels direktdemokratischer Instrumente, aber
auch indem sie regelmässig Rekurse und Aufsichtsbeschwerde gegen SUB-Beschlüsse
einreichten. Ab Mitte der 80er-Jahren tauchten zusätzlich Gruppierungen auf,
die für sich in Anspruch nahmen, einen (linksliberalen) Mittelweg zwischen linker
Mehrheit und bürgerlicher Opposition zu vertreten. Unter diesen erlangte
allerdings nur die "Freie Liste (FLUB)" kurzfristig eine gewisse
Bedeutung.
Internen Kämpfen zum Opfer fiel zu Beginn der 80er-Jahre die Zeitung
"Berner Student". Linksradikale, Sozialdemokrat*innen und
Bürgerliche stritten sich um den Inhalt der Zeitung, die Redaktion und der
SUB-Vorstand um deren Autonomie. Mehrmals wählte der Studierendenrat
Redaktionsmitglieder ab. Nachdem die Studierenden dann 1981 eine bürgerliche
Initiative knapp angenommen hatten, musste die Redaktion parteipolitisch
proportional zusammengesetzt werden. Dies führte dazu, dass die linke
Redaktionsmehrheit regelmässig Beiträge der bürgerlichen Redakteur*innen nicht
akzeptierte, während letztere Redaktionsbeschlüsse mit Rekursen blockierten, so
dass die Redaktion nur noch beschränkt funktionsfähig war und im Zuge der
Finanzprobleme schliesslich aufgehoben wurde.
Sukzessive lösen konnte die SUB
ihre Probleme Ende der 80er-Jahre und anfangs der 90er-Jahre. Eine
Gesetzesänderung verankerte 1989 Kultur und Dienstleistungen sowie die
VSS-Mitgliedschaft, so dass die obligatorischen Beiträge wieder dafür verwendet
werden konnten. Die Höhe des Semesterbeitrags wurde nach einigen Diskussionen
1991 auf 21 Franken festgelegt (diese Zahl gilt heute noch). Mit dem
"unikum" wurde nach mehreren Zwischenlösungen ein langfristig bestehendes
Publikationsorgan geschaffen. Institutionell lockerte die SUB das strikte
Regierungs-Oppositions-Modell, indem sie die Einzelwahl der Vorstandmitglieder
einführte und begann, freie Vorstandsstellen öffentlich auszuschreiben
(1992/93).
Eine Konstante dieser Jahrzehnte waren Konflikte, wozu sich die SUB neben
standespolitischen Fragen wie Studiengestaltung und Stipendienwesen sonst noch
äussern dürfe. In den frühen 70er-Jahren beanspruchte die SUB explizit ein
"allgemeinpolitisches Mandat". Später drehte sich die Diskussion um
die Definition der "studentischen Interessen". Der SUB-Vorstand
verstand den Begriff breit und zählt dazu auch die Einführung des
Zivildienstes, genügend Jugendkulturräume (Reitschule und Zaffaraya) oder die
Rechte von (jungen) Arbeitslosen (zuletzt Referendumsunterstützung 2002).
Angeheizt wurden entsprechende Diskussionen dadurch, dass die Legislativen
gelegentlich allgemeinpolitische Resolutionen fassten, in den 80er-Jahren etwa
zu Asylfragen (GV-Resolution gegen Ausschaffung von Tamil*innen) und zur
Energiepolitik.
90er-Jahre: Neues SUB-Häuschen, Kampf für Gleichstellung und gegen
Sparmassnahmen
Unter den Dienstleistungen hatte die Wohn- und Stellenvermittlung seit den
60er-Jahren stark an Bedeutung gewonnen, da immer mehr Studierende auswärts
wohnten und auf eine Stelle angewiesen waren. Im SUB-Sekretariat herrschte ein
stetiger Strom von Besuchenden, nicht nur von Studierenden, sondern auch von
Wohnungssuchenden aller Art, was die SUB in ein Dilemma brachte zwischen
sozialem Anspruch und der Notwendigkeit, sich auf ihre Mitglieder zu
konzentrieren. Örtlich konnte die SUB 1993 das heutige SUB-Häuschen beziehen,
ein denkmalgeschütztes ehemaliges Betriebsgebäude der Schokoladenfabrik Tobler,
das in den 80er-Jahren vorübergehend von Autonomen besetzt gewesen war.
Politisch waren die 1990er (und frühen 2000er-Jahre) vom Kampf gegen
verschiedene hochschulpolitische Verschlechterungen geprägt, welche der Kanton
infolge seiner damaligen Finanzprobleme und des aufkommenden neoliberalen
Zeitgeistes ergriff. So wehrte sich die SUB gegen verschiedene Sparpakete, in
denen die Universität teils massive finanzielle Einschnitte zu bewältigen
hatte, gegen Studiengebührenerhöhungen und gegen den Abbau im Stipendienwesen.
Gegen die Einführung des Numerus Clausus in Medizin ergriff die SUB das
Referendum und führte 1996 einen intensiven kantonalen Abstimmungskampf. Mit
der Unigesetzrevision desselben Jahres konnten Studierende neu aus der SUB
austreten, wovon allerdings jeweils nur sehr wenige Gebrauch machen.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern war ab Mitte der 80er-Jahre zu einem
zentralen SUB-Thema geworden, wie sich emblematisch an der Umbenennung von
"Studentenschaft" in "StudentInnenschaft" zeigte (seit 2018
"Studierendenschaft"). Im Jahre 1987 schuf der SUB-Vorstand ein
eigenes Ressort "Frauen" (heute Gleichstellung). Die Frauenquote für
SR und Vorstand wurde 1992 eingeführt. Ab 1989 gab es jährlich einen
Frauenaktionstag oder eine Frauenaktionswoche. In den 90er-Jahren veranstaltete
die SUB Frauen-Selbstverteidigungskurse. Seit 2000 organisiert sie mit der
Abteilung für Gleichstellung "womentoring", ein Mentoringprogramm für an
einem Doktorat interessierte Studentinnen. Daneben führte (und führt) die SUB
eine Vielzahl von Einzelveranstaltungen zur Gleichstellung durch, kämpft(e) für
Verbesserungen innerhalb der Universität (namentlich für mehr Profesorinnen
und weniger Sexismus) und versucht selbst gendergerecht zu funktionieren.
In Studierendenrat und Vorstand dominierte auch in den 90er-Jahren die (nicht
mehr in einer förmlichen Koalition organisierte) Linke. Während es um die
Dekadenmitte vermehrt moderat-linke Vorstandsmitglieder gegeben zu haben
scheint, wurden die Haltungen später im Zuge der Anti-Globalisierungs-Bewegung
eher wieder etwas radikaler. Wichtigste Gruppierungen waren die
links-alternative Aktionsgruppe Kritische Union (AKU), die feministische Liste
"Frauen machen Politik" sowie (auf bürgerlicher Seite) die "Cash
Flow Party", die als Nachfolgerin des Spektrums v.a. durch aggressive
Wahlkämpfe auffiel. Die Fachschaftslisten verloren hingegen stetig an
Bedeutung. Seit 1995 wird der Rat nur noch jedes zweite Jahr gewählt (vorher
alljährlich). Mit Nachwuchssorgen konfrontiert wurde die SUB um die
Jahrtausendwende: Weil weniger Studierende kandidierten als Sitze zu vergeben
waren, wurde der Studierendenrat 1999 still gewählt (das bisher einzige Mal in
der SUB-Geschichte). Als Reaktion darauf lancierte die SUB eine Mobilisierungskampagne,
kontaktierte studentische Gruppierungen und Jungparteien und konnte so eine
neue Generation Studierendenpolitiker*innen gewinnen.
Bologna und Internet-Zeitalter: Die 2000er
Das wichtigste politische Thema der 2000er-Jahre war die Bologna-Reform mit der
grössten Veränderung der Studienstruktur in der Geschichte der Universität
Bern. In Stellungnahmen, Diskussionen, lauten Protesten, aber auch
Arbeitsgruppensitzungen und persönlichen Gesprächen protestierte die SUB gegen
die Verschulung des Studiums, kritisierte bürokratische und unnötige
"Bologna-Umsetzungs"-Reformen und diskutierte über gesellschaftliche
Zusammenhänge der Reform. Immerhin gelang es dem VSS auf nationaler Ebene
durchzusetzen, dass der Master als Regelabschluss definiert wurde. Die
Abschaffung von Medienwissenschaften (2005) und Soziologie (2009) sorgten für
viel Unruhe und heftige Proteste sowohl der SUB als auch der betroffenen
Studierenden und ihrer Fachschaften.
Ab dem Jahr 1996 verfügte die SUB über eine eigene (ursprünglich sehr
bescheidene) Homepage, die später in mehreren Schritten ausgebaut wurde. Ab
2000 wurden Wohn- und Stellenvermittlung sukzessive auf ein
elektronisches System umgestellt (Stellenmail 2001, Direktzugriff 2006). Auch
im veränderten Umfeld konnten sich die Angebote gut halten und die SUB ist
heute Marktführerin bei der Studijobvermittlung in Bern. Wichtigste neue Dienstleistung
der 2000er-Jahre waren die freien Eintritte für Kulturveranstaltungen,
welche ab 2002 systematisch aufgebaut wurden.
Im Studierendenrat war dieses Jahrzehnt eine Blütezeit des Sozialdemokratischen
Forums (SF), das konstant über 10 SR-Mitglieder sowie zahlreiche Vorständ*innen
stellte. Zusammen mit kleinen alternativen Gruppen bildete es eine
vergleichsweise knappe linke SR-Mehrheit. Bürgerlicherseits waren die (von der
heutigen Nationalrätin Christa Markwalder gegründeten) Jungfreisinnigen
wichtigste politische Kraft. Anders als die bürgerlichen Parteien
vorangegangener Jahrzehnte waren die Jungfreisinnigen auch mit eigenen
Mitgliedern im SUB-Vorstand vertreten. Gewählt wird der Studierendenrat seit
2005 elektronisch.
Der massive Abbau der Stipendien (im Kanton Bern Halbierung des ausbezahlten
Betrags innerhalb von 20 Jahren trotz massiv steigender Studierendenzahlen)
bewegte den VSS dazu, 2010 zu diesem Thema eine Volksinitiative zu lancieren.
Zwei Jahre später konnte sie mit 120'000 Unterschriften eingereicht werden. Die
SUB selbst sammelte mehrmals wöchentlich, so dass am Ende ein Viertel der
Unterschriften alleine aus dem Kanton Bern kam. Auch im Abstimmungskampf 2015
engagierte sich die SUB. Obwohl die Initiative schliesslich abgelehnt wurde,
schuf sie ein breiteres Bewusstsein für die Problematik und konnte den weiteren
Abbau bremsen.
Orientierungssuche in den 2010er-Jahren
In Schwierigkeiten mit der Kantonspolitik geriet die SUB(wieder einmal) Ende
der 2000er-Jahre. Die Unterstützung einer GsoA-Initiative gegen den Kauf neuer
Kampfjets (aus Angst um die Auswirkungen auf die Bildungsfinanzen) erregte den
Grossen Rat derart, dass er 2009 die automatische Mitgliedschaft abschaffen
wollte. Mit der Kampagne "Ja zur SUB!" und namentlich dank der
Fürsprache der Universitätsleitung gelang es schliesslich, das Kantonsparlament
umzustimmen und die Abschaffung zu verhindern, allerdings wurden die zulässigen
politischen Äusserungen noch einmal eingeschränkt.
Diese Beinahe-Abschaffung löste eine Kultur ausgeprägter politischer Vorsicht
aus und trug mit dazu bei, dass in der ersten Hälfte der 2010er-Jahre (neben
der Stipendieninitiative) die Reorganisation von Dienstleistungen und Kultur im
Vordergrund stand. Die Organisation des Unifests wurde (nach einem grösseren
Verlust 2010) enger in die SUB integriert und personell verstetigt. Das mit
sinkenden Werbeeinahmen kämpfende unikum wurde 2014 nach heftigen Diskussionen
eingestellt, ein Jahr später erschien die erste Ausgabe der unabhängigen "Bärner Studizytig", welche
von der SUB im Rahmen eines Leistungsvertrages finanziell unterstützt wird. Auf
die Gründung einer Bar verzichtete die SUB dagegen.
Im Studierendenrat hatten die linken Parteien seit 2011 keine eigene Mehrheit,
konnten sich aber meist auf die Unterstützung einzelner Mitteparteien
verlassen, wobei namentlich die Unisektion der Grünliberalen bedeutend war. Im
Vorstand hingegen dominierten weiterhin linke Mitglieder. Trotz anfänglichen
Erfolgs eine Episode blieb der Versuch der Liste
"Wirtschaftswissenschaften im Rat", das Konzept der Fachschaftslisten
wiederzubeleben.
Die jüngste Geschichte
In den letzten Jahren schuf die SUB zusätzlich zu den etablierten
Dienstleistungen auch verschiedene neue soziale Aktivitäten. So beteiligte sich
die SUB am Projekt "Offener Hörsaal" des VSS (für geflüchtete
Studierende), gründete die "KiStE" für studierende Eltern, versucht
trans und nicht-binäre Personen in ihre Gleichstellungspolitik zu integrieren,
organisiert Workshops zum Rassismus an Hochschulen und engagiert sich wieder
verstärkt in Wohnbaufragen. Seit 2017 stellt die Linke auch im Studierendenrat
wieder die Mehrheit.
Quellen und Unterlagen zur SUB-Geschichte
Literatur
-Hochschulgeschichte Bern 1528-1984. Hrsg im Auftrag des Regierungsrats
des Kantons Berns von der Kommission für bernische Hochschulgeschichte.
Bern 1984. Insb S. 459-487.
-Richard Feller. Die Universität Bern 1834-1934. Bern 1935.
-Berner Student. Festausgabe zur Jahrhundertfeier der Universität Bern. Bern 1934.
-Die Studentschaft im Selbstporträt. Hrsg. von Studentenschaft der Universität Bern. Bern 1973.
-Ayse Turcan. Die StudentInnenschaft in der Krise?. Die Entwicklung des
studentischen Engagements an der Universität Bern. Bachelorarbeit 2012.
Archive
-SUB-Archiv (Unterlageb ab ca. 2005). Für Einsichtnahme SUB-Vorstand kontaktieren.
-Staatsarchiv, Archiv der SUB (1950-2009)
-Staatsarchiv, weitere Bestände zur SUB: a (1924-1968), b (1948-2001), c (1925-1982), d (1944-1997)
Alte SUB-Zeitschriften in Bibliotheken
- Berner Student (1933-1982): Nationalbibliothek (Signatur R 7667/Pf 8361, noch nicht elektronisch katalogisiert), Universitätsbibliothek.
- SUBstanz (1983): Nationalbibliothek, Universitätsbibliothek.
- Neue Zubstanz Zeitung (1983-1984): Nationalbibliothek.
- Extra-Woka (1984-1986): Nationalbibliothek.
- Unikum (1986-2014): Unikumarchiv der SUB, Nationalbibliothek,Universitätsbibliothek.
- Wochenkalender (WoKa): Nationalbibliothek 1984-1993, 1994-1997, Universitätsbibliothek: 1971-1997 (inkomplett)
Websitearchiv
-Alte Homepage-Versionen auf "Internet Archive": subww (1996-2000), subnew (2011-2014), dev.sub (2015-2016), sub (ab 2000),
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